Drei Tage Linux

Linux, die freie Alternative zum Betriebssystem Microsoft Windows, gibt es in verschiedenen Varianten: Als SUSE oder RedHat/Fedora im käuflichen Paket (mit Handbüchern und Zusatzprogrammen), als Knoppix direkt von bootfähiger CD oder als "selbstgebastelte" Version. Debian Linux ist eine weitere Variante, deren Version 3.1 (Sarge) kürzlich als stabil deklariert wurde. Ein Grund für mich, wieder einmal hineinzuschnuppern.

Debian Linux

Debian besorgen

Natürlich kann man bei diversen Händlern Debian auf DVD oder CD beziehen - als preisbewusster Student wählt man aber lieber die Möglichkeit des Downloads. Über die Debian-Webseite www.debian.org fand ich alle nötigen Informationen. Ich entschied mich für die DVD-Variante und konnte an einem Uni-PC mittels jigdo nacheinander die beiden Image-Dateien erzeugen und mit Daten füllen. Mit Strg-C konnte man jederzeit unterbrechen, um später fortzusetzen. Nach zahllosen Meldungen und einer Stunde Zeit war DVD 1 heruntergeladen, DVD 2 dauerte ähnlich lange. Zuguterletzt mussten die DVD-Images noch auf DVD-Rohlinge gebrannt werden.

Installation

Wie seit langem üblich kann man seinen PC direkt von der DVD booten lassen, was die Installation in Gang setzt. Also schnell die DVD ins Laufwerk gelegt und mein Notebook eingeschaltet. Die Installationsroutine der (nun gut ein Jahr alten) Version 3.0 war mir noch im Hinterkopf. Ein freundlicher Debian-Bildschirm begrüßte mich. Nach Betätigen der Eingabetaste startete die Installation mit Kernel 2.4.27. Alternativ hätte ich auch linux26 eingeben können, um direkt den neueren Kernel 2.6.8 zu verwenden - da ich später aber sowieso einen eigenen Kernel kompilieren wollte, sparte ich mir diesen Schritt.

Frozen Bubble Im Gegensatz zu SUSE oder Redhat/Fedora ist der Debian-Installer rein textbasiert - man sollte also den Gebrauch von Eingabe-, Leer-, Tab- und Pfeiltasten gewohnt sein. Nach der Sprachauswahl versuchte Debian, meine vorhandene Netzwerkkarte mittels DHCP zu konfigurieren, was daran scheiterte, dass mein Notebook gerade an kein Netzwerk angeschlossen war. Die manuelle Netzwerk-Konfiguration konnte ich also getrost überspringen und installierte zunächst das Basis-System auf einer vorhandenen ext2-Linux-Partition (10GB) meiner Festplatte. Wahlweise kann man auch den unpartitionierten Bereich automatisch verwenden oder die Festplatte komplett überschreiben lassen. Die geänderten Partitionen wurden in einer Tabelle mit kleinen Totenköpfen geschmückt, so dass ich leicht darauf achten konnte, meine Windows-Partition nicht zu beschädigen. Im Gegensatz zur Auslagerungsdatei bei Windows verwendet Linux außerdem eine eigene Partition als Swap-Space - entsprechend meinem Arbeitsspeicher habe ich dafür eine Größe von 500MB gewählt.

Einige Dateien wurden kopiert und nach einem Neustart konnte ich zwischen Windows und Linux wählen - der Bootloader GRUB macht's möglich. Nun musste ich die Grundkonfiguration vornehmen, d.h. eine Zeitzone und das root-Passwort wählen, einen User anlegen und das Paketverwaltungswerkzeug apt konfigurieren. Wie bei den anderen großen Linux-Distributionen wird dadurch eine einfache Programm-Installation ermöglicht: Programme sind in Pakete gegliedert, die wiederum nach Sparten wie "Grafik" oder "Mathe" sortiert sind und nach Belieben installiert oder deinstalliert werden können. Anschließend wurde zum Aufbau dieser Paketdatenbank der Inhalt der DVDs eingelesen (mir tun die Leute leid, die sich für die CD-Version mit 14 CDs entschieden haben) und ich konnte die Hauptaufgaben meines Systems wählen, was entsprechende Programme installiert.

Schließlich lud ich mir bei www.kernel.org einen aktuellen Kernel zum Selbst-Konfigurieren und Kompilieren herunter, dem ich noch einige Patches für meine Notebook-Hardware hinzufügte, und nach erfolgreicher Kompilierung (dauerte keine halbe Stunde) beendete ich Tag 1.

Kaffeine

Multimedia

Am nächsten Tag bekam ich meine integrierte WLAN-Karte zum Laufen (dazu war der neue Kernel nötig) und freute mich, dass neben der Soundkarte nun auch meine Grafikkarte erkannt wurde (was letztes Jahr mit Debian 3.0 nicht der Fall war). Ich hatte mich für die grafische Oberfläche KDE entschieden und installierte mir Firefox als Web-Browser. Das Paket msttcorefonts lud mir die Microsoft-Schriftarten Arial, Courier New usw. aus dem Web, so dass alle Webseiten nun so dargestellt werden, wie man es von Windows gewohnt ist. Hmm... ob ich auch Videostreams ansehen kann? Die Programme xine, Kaffeine und MPlayer (letzteren gab es mit Videocodecs für RealMedia und QuickTime im Web) machten es möglich. Als ich dann noch libdvdcss (auch aus dem Web) installierte, konnte ich sogar meine DVDs schauen. Und was ist mit Java? Das war in Debian nicht enthalten, wohl aber das Paket java-package, mit welchem man das Java von der Sun-Webseite java.sun.com in ein Debian-Paket umwandeln und installieren konnte. So wurden auch endlich Java-Applets im Firefox angezeigt, die Java-Entwicklungsumgebung Eclipse lief dann ebenso.

Frozen Bubble

Spiele

Ja, auch so etwas gibt es unter Debian. So findet man die alten LucasArts-Adventures Flight of the Amazon Queen und Beneath a Steel Sky komplett inklusive (englischer) Sprachausgabe (!) auf den DVDs. Linux-Nutzer werden Frozen Bubble kennen, eine Mischung aus Tetris und Dr Mario, worin es darum geht, bunte Eiskugeln an eine Höhlendecke zu schießen und bis zur letzten Kugel abzuräumen. Außerdem entdeckte ich ein Strategiespiel namens Wesnoth mit netter Grafik und Musik. Das sind aber nur einige wenige der vielen (zum Teil Multiplayer- und Netzwerk-tauglichen) Games.

Office

Viel fehlte nun nicht mehr... Am dritten Tag kam mir noch der Gedanke, etwas Vernünftiges mit Linux anzustellen. Auf den DVDs enthalten war auch OpenOffice 1.1.3. Selbiges benutze ich schon eine Zeit lang unter Windows, also kann ich auch hier damit arbeiten. Mit dem Drucken haperte es noch... offenbar gab es diverse Ansätze, Linux das Drucken beizubringen. Ich versuchte es mit dem Common UNIX Printing System (CUPS) und Gimp-Print und konnte meinen Canon i560 USB-Drucker mit dem Treiber Canon BJC-7000 ansteuern. Das Papierformat musste noch von Letter auf A4 und die Qualität von Normal auf Hoch umgestellt werden, aber das war schon alles. Mein Flachbett-Scanner wird leider noch nicht unterstützt, meine Digicam ebensowenig. USB-Sticks werden hingegen beim Einstecken automatisch erkannt und eingebunden.

Fazit

Allgemein gesehen hat sich im letzten Jahr von Debian 3.0 (Woody) auf Debian 3.1 (Sarge) einiges getan. Mit dem Kernel 2.6 werden viele neue Treiber unterstützt. Endlich ist auch KDE 3 enthalten (bislang musste man sich mit KDE 2 zufrieden geben oder KDE 3 aus externen Quellen installieren). Dinge wie das Maus-Scrollrad sind längst kein Problem mehr. Mit dem System lässt sich arbeiten und Spaß haben.

Die Installation ist (meiner Meinung nach) noch einfacher geworden, kommt aber in Punkto Benutzerfreundlichkeit noch nicht an SUSE und Redhat/Fedora heran. Während bei letzteren schon während der Installation vieles getestet und konfiguriert werden kann, muss man bei Debian oft selbst Hand anlegen und sich mit Konfigurationsdateien auseinandersetzen (als Neuling wird man vergeblich eine Einstellmöglichkeit für die Bildschirmauflösung suchen). Ebensowenig wird ein grafisches Front-End zur Systemkonfiguration installiert - wer mag, kann einmal webmin ausprobieren, das die Konfiguration via Webbrowser ermöglicht.

Vorsicht ist bei neuen PCs geboten - da Linux frei entwickelt wird, dauert es meist eine Weile, bis für eine aktuelle Hardwarekomponente ein Treiber existiert. Ist der PC zwei Jahre oder älter, gibt es nicht viel zu befürchten. Wer komplett auf Linux umsteigen will, sollte sich daher bei entsprechenden Anbietern nach kompatibler Hardware informieren.

Die Menge von verfügbaren Software-Paketen ist beeindruckend - allerdings für den Laien kaum zu durchschauen. Das fängt schon bei der Wahl des Paket-Managers an: tasksel zum Auswählen großer Paketgruppen gemäß Verwendungszweck des PCs, dselect oder aptitude zur Suche und Installation von einzelnen Paketen, apt-get und dpkg als Kommandozeilen-Tools oder synaptic als grafischer Paketmanager. Es gibt zahlreiche Texteditoren, manche davon recht kryptisch (vi, emacs), andere verständlich einfach (nano, KEdit) oder sogar mit HTML-Syntax-Highlighting (Kate). Wem KDE als grafische Oberfläche zu protzig ist, der kann alternativ GNOME installieren, ohne Einbußen in Punkto Softwarekompatibilität hinnehmen zu müssen. Man kann zwischen grafischem Login (kdm, gdm, xdm) oder Konsolen-Login wählen. Auf diese Weise erhält jeder Linux-Nutzer sein individuelles System, was ja durchaus nicht von heute auf morgen geschehen muss. Jedem, der "mal schnell Linux installieren möchte", um es zu benutzen, sei daher gesagt: Das System wächst mit dem Anwender.

So unterschiedlich die Linux-Versionen auch sein mögen - grob gesehen unterscheiden sie sich lediglich durch die Art der Installation. Alle basieren sie auf Linus Torvalds erfolgreichem Versuch, das Betriebssystem UNIX nachzuprogrammieren. Linux läuft auf den verschiedensten Rechnerarchitekturen: Ob Standard-PC ("i386") oder Apple Macintosh ("PowerPC"). In der Regel genügt es, den Quelltext (Source) eines Programmes auf dem jeweiligen Zielrechner neu zu kompilieren, um es auch dort laufen zu lassen. Das Debian-Team hat dies für die meisten Rechnerarchitekturen getan und bietet so eine der wohl systemübergreifendsten Linux-Varianten zum kostenfreien Download an.

Manuel Haim, 03-Aug-2005
Links:
http://www.debian.org


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